Krebsnetz - Ein Ratgeber für Patienten und Angehörige zum Thema "Krebs"
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Verloren

Obwohl ich eine Krebsoperation gut überstanden hatte, ging es mir nicht besonders gut. Ich versuchte mit meinem neuen Leben fertig zu werden und nahm Kontakt zu einer Selbsthilfegruppe auf. Da ich ja keine Erfahrung mit solchen Dingen hatte ging ich mit gemischten Gefühlen zu meinem ersten Treffen. Beim ersten Veranstaltungsabend lernte ich eine junge Frau kennen, die mir von Anfang an sympathisch war. In der Gruppe stellte sich jeder vor und berichtete von seiner Erkrankung. So erfuhr ich, dass meine neue Bekannte an Brustkrebs operiert worden war. Danach war sie bestrahlt worden und eine Chemotherapie war ihr auch nicht erspart geblieben. Natürlich hatte sie auch ihre Haare verloren und fühlte sich im Großen und Ganzen total daneben. Obwohl Irene, so hieß meine neue Bekannte, bedeutend jünger war als ich, freundeten wir uns ziemlich schnell an. Sie erzählte mir von ihrem Krankheitsverlauf und ,dass sie kämpfen und immer wieder kämpfen wolle. In einer stillen Stunde vertraute sie mir an, dass sie ihre Gefühle und Ängste in Form von Gedichten aufschrieb. Nach einiger Zeit waren wir so vertraut, dass sie mir eines Tages eine Mappe mit ihren Gedichten brachte. Sie legte mir nahe, doch einmal darin zu lesen wenn mir danach wäre. So fing ich an in Irenes Gedichten zu lesen und mich damit zu befassen. Immer und immer wieder tauchte der feste Wille auf, sich von der Krankheit nicht unterkriegen zu lassen.

Auch wenn manche Zeilen von Not und Verzweiflung sprachen, war es doch gut zu lesen wie voll Vertrauen und Zuversicht sie war.

Sie war ja noch so jung.

Eines Tages stand sie unangemeldet vor meiner Türe. Sie zog mit einer schnellen Bewegung ihr Kopftuch ab, strahlte mich an und sagte nur: Da staunst Du wohl ! Ja ich staunte, denn Irene hatte wieder Haare. Wenn auch noch wenige und kurz, aber Haare. Als wir dann bei einer Tasse Kaffe saßen, erzählte sie mir, dass sie für ein paar Tage in Urlaub fahren wollte. Ich ließ mich von ihrer Fröhlichkeit anstecken und wir verbrachten einen schönen Nachmittag. Beim Abschied versprach sie, sich aus dem Urlaub zu melden. Ich wurde besorgt, als ich aus ihrem Urlaub nichts hörte, und ich sie auch nicht telefonisch erreichen konnte. Doch eines Tages rief sie aus dem Krankenhaus an. Sie hätte am zweiten Urlaubstag wahnsinnige Schmerzen bekommen und wäre dann auf Umwegen nach Hause und ins Krankenhaus gekommen. Als ich sie dort besuchte, erfuhr ich, dass sie nun wieder alle möglichen Untersuchungen durchmachte und die Ärzte aber zuversichtlich wären, die Ursache für diese Verschlechterung in den Griff zu bekommen. Bevor ich mich von ihr verabschiedete bat sie mich etwas von ihren Gedichten vorzulesen.

Sie war wieder ganz zuversichtlich.

Bei meinem nächsten Besuch erzählte sie mir ganz euphorisch von einer neuen Chemotherapie. Doch ein paar Tage später rief sie mich an und berichtete mir von einigen unguten Dingen. Sie war sehr traurig und fast schon verzweifelt. Dann ging es ihr besser und sie machte schon wieder Pläne.

So waren ihr Zustand und ihre Gefühle ein stetes Auf und Ab. Immer wenn ich sie besuchte, war vorher meine bange Frage, was heute wohl sein werde? Wenn auch ihr Zustand sich immer mehr verschlechterte, so waren von ihr doch immer wieder Worte der Zuversicht zu hören.

Dann kam ein sehr trauriger Tag. Als ich ihr Krankenzimmer betrat, lag sie sehr still in ihrem Bett. Ich habe versucht mein Erschrecken so gut es ging zu verbergen. Als ich mich zu ihr setzte, nahm sie meine Hand und sagte: Ich bin sehr müde. Eine ganze Weile saß ich still an ihrem Bett, dann kam doch ein zaghaftes Gespräch zustande. Wir sprachen sogar von gemeinsamen Erlebnissen und plötzlich dankte sie mir für unsere Freundschaft.

Und dann weinte sie sehr.

Beim Abschied drückte sie (so gut es ging) meinen Arm und sagte wieder: Ich bin so müde.

In den nächsten Tagen versuchte ich sie vergeblich anzurufen. Mir wurde mitgeteilt, dass es ihr nicht gut ginge. Dann erhielt ich die Nachricht, dass meine Irene nun für immer ausruhen durfte.

 


 

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